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symposion „ … wieder ein buch 2006” gisela steinlechner „in puncto aufl. richte ich mich nach der einwohnerzahl der erde” – bücher und hefte aus der „irrenanstalt” – beispiele aus der sammlung prinzhorn dort, wo man es am wenigsten erwarten würde – in der sozialen isolation und monotonie der psychiatrischen anstalten um 1900 – trifft man immer wieder auf produzenten von heften, büchern und aufwändigen text-bild-kompendien. die aus dem gesellschaftlichen und kulturellen verkehr ausgeschlossenen verfertigen bücher aus fundstücken und abfällen, sie sind autor, gestalter, hersteller und oft auch einziger leser/betrachter in personalunion. aus der materiellen not, aber auch aus der inneren notwendigkeit ihrer psych(ot)ischen erfahrung heraus erfinden sie eigensinnige produktions- und gestaltungsformen, die sich auf innovative weise mit den verschiedenen medien und kommunikationstechniken ihrer zeit kurzschließen. es entstehen kompendien, die text- und bildmaterialien unterschiedlichster herkunft collagieren und kopieren; zeitungen und broschüren werden ausgeweidet und neu formatiert, lose zettel, formulare, kartons, textilien und verpackungsmaterialien werden zusammengen�ht und �geklebt, beschriftet und illustriert. |
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symposion „ … wieder ein buch 2006” zum anderen finden sich gewöhnliche schulhefte und kladden zu archiven, kalendern, diarien oder comicsartigen erzählungen umfunktioniert. dabei beeindrucken vor allem die vielgestaltigen symbiosen und übergänge zwischen bildnerischen verfahren, handschriften und typographischen versatzstücken – die verschiedenen techniken und darstellungsmodi schaukeln sich gegenseitig auf, überlagern, ergänzen oder unterminieren sich. die sauber abgegrenzten terrains der schrift- und buchkultur des bürgerlichen zeitalters werden so nachhaltig ver-rückt und reformatiert, vor der zeit und abseits der diskurse der moderne entwickelten einige der anstaltsinsassen radikal neue ästhetische handschriften und kommunikative strategien. vorgestellt werden objekte aus dem fundus der sammlung prinzhorn in heidelberg, die der psychiater und kunsthistoriker hans prinzhorn um 1920 aus den archiven verschiedener europäischer irrenanstalten zusammengetragen hat. das seinerzeit geplante museum pathologischer kunst konnte erst viele jahrzehnte später realisiert werden, doch wurde die sammlung durch hans prinzhorns 1922 erschienenes buch bildnerei der geisteskranken international bekannt und war für viele künstler der moderne eine entscheidende anregung. |