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buchgespräch
martin tiefenthaler
„das buch als erscheinung im raum”


vortrag im rahmen der buchgespräche während der ausstellung „die schönsten bücher österreichs, deutschlands, der schweiz und der niederlande 2005” in der hauptbücherei der stadt wien

datum_dienstag, 24. jänner 2006 zeit_17:30 uhr
ort_hauptbücherei wien


von den zahlreichen aspekten unter denen man das buch als räumliche erscheinung betrachten kann, möchte ich nur diesen ansatzweise ansprechen: seine größtmögliche ausdehnung erfährt das buch in seiner form als einzelnes exemplar beim umblättern. „buch in seiner form als einzelnes exemplar” weil „buch” auch metonymisch sowohl als gesamte auflage als auch nicht einmal noch existierendes reales objekt verstanden werden kann. die spanne der größenerscheinung von „buch” reicht vom physikalischen volumen einer auflage und folglich derer zeitlichen und geographischen verbreitung bis zu seiner quasi nicht- oder fast-ausdehnung eines noch in keine physikalisch definierte form gebrachten konzepts.



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martin tiefenthaler
„das buch als erscheinung im raum”



abgesehen von abnehmbaren und auffaltbaren schutzumschlägen sowie entfaltbaren blättern des buchkerns, ist die rechtwinkelig aufgestellte buchseite im mittelpunkt des umblätterns die größtmögliche volumsbestimmende koordinate eines aufgeschlagen daliegenden buches. dieser flüchtige moment, in dem beide seiten eines blattes zugleich gleich gut einsichtig sind, stellt den ausgangs- und angelpunkt der gesamtwirkung des mediums buch dar. blättern ist im wahrsten sinne des wortes umsichtig und verkörpert die zeithoheit über die eine benützerin eines buches verfügt, eine zeithoheit, die nur wenige nicht-print-medien zulassen. diese umsicht, mit der mich das buch über meine zeit verfügen und den rhythmus des gebrauchs bestimmen läßt, ist es, die der würde des buches und der würde der benutzerin zugrunde liegt. (blättern in zeitschriften ist damit nur eingeschränkt vergleichbar, da zeitschriften eher zum zappen aufbereitet und vorgeordnet sind)



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martin tiefenthaler
„das buch als erscheinung im raum”



in diesem moment des umblätterns ist die schnittstelle zwischen buch und lesender ausschließlich körperlich und die körperliche voraussetzung, die von den lesenden erbracht werden muss, ist ein opponierbarer daumen. nur das sattelgelenk am grundglied dieses fingers ermöglicht das ergreifen eines blattes und sein anheben und bewegen mit der notwendigen präzision. die fähigkeit den daumen den anderen fingern der hand zu opponieren, haben neben der gattung mensch nur die menschenaffen – wahrscheinlich einer der gründe warum wir diese wesen, sobald wir ihrer habhaft werden, genauso wie uns selbst dazu zwingen in kleinfamilien in gefangenschaft zu leben (und diejenigen die unserer habhaft entkommen wenigstens namentlich zu erfassen suchen). man sollte also bedenken, dass die fähigkeit bücher zu schreiben, umzublättern und zu lesen nicht automatisch eine garantie zu kulturellem verhalten im besten sinn des wortes darstellt, ein bedenken, das man auch und vor allem angesichts der „schönsten bücher” nicht aus dem sinn verlieren sollte.