symposion
„unvertraute nähe … noch ein buch”
anke te heesen
wissenschaftshistorikerin und kuratorin, studierte kulturpädagogik und wissenschaftsgeschichte;
1995 promotion an der carl-von-ossietzky-universität oldenburg,
1994/95 walther rathenau-stipendium am max-planck-institut für wissenschaftsgeschichte. anschließend wissenschaftliche mitarbeiterin am forschungszentrum europäische aufklärung in potsdam.
1998/99 arbeitete sie als kuratorin am hygiene-museum in dresden (‚der neue mensch. obsessionen des 20. jahrhunderts’), danach von 1999-2006 als wissenschaftliche mitarbeiterin am max-planck-institut für wissenschaftsgeschichte, berlin.
2006 gründungsdirektorin des museums der universität tübingen, seit 2008 lehrt sie als professorin am ludwig-uhland-institut für empirische kulturwissenschaft an der universität tübingen.
zahlreiche veröffentlichungen zur sammlungs- und wissenschaftsgeschichte
„stückwerk und materialzärtlichkeit”
zeitungen gehören zum alltag. sie berichten die neuigkeiten von gestern und das wichtige von morgen,
danach landen sie im altpapier. doch aus manchen zeitungen schneidet man einzelne artikel aus, legt
sie in ein buch oder vergisst sie in schubladen. das ausschneiden und einfügen in einen neuen kontext
war um 1900 so verbreitet wie nie zuvor. zeitungen wurden zerlegt und verzettelt, ausschnitte katalogisiert
und sogar gedruckt.
stückwerk und materialzärtlichkeit stellt die geschichte von zeitungsausschnittsammelnden wissenschaftern
vor. am beispiel des physikers ernst gehrcke, der eine mehrere bände umfassende ausschnittsammlung
zu relativitätstheorie und der person albert einsteins in den jahren 1919 bis 1922
zusammenstellte, soll der weg des ausschnitts von der zeitung in die zettelwirtschaft des wissenschafters
bis hin zu seinen textentwürfen und -umsetzungen nachgezeichnet werden. eine solche
sammlung ist teil der obsessionen des 20. jahrhunderts.
zur gleichen zeit erhält der zeitungsausschnitt in den collagen der dadaisten einen ganz anderen
zuschnitt. auch hier ist ein gesamteindruck angestrebt, doch der umgang mit dem papier wird in
einen völlig anderen sinnzusammenhang überführt.
these des vortrages ist, dass erst im interdisziplinären vergleich dieser technik und ihrer wechselnden
funktionalisierungen die bedeutung des geschnittenen papiers und seiner stellung im wissenschaftlichen
wie künstlerischen entwurfsprozeß verstanden werden kann.